Weg von der langweiligen Alltagsroutine!

Weg von der langweiligen Alltagsroutine!

Autor: Dr. Christine Talker

Würden Sie sich als Experte für Ihr Leben bezeichnen? Können Sie sich in Ihrem vertrauten Umfeld bewegen ohne den Blick zu heben? Können Sie Dinge tun ohne denken zu müssen? Es ist Routine, die unseren Alltag zu bestimmen scheint. Sie lässt unser Gehirn in eine Art „Autopilot“ schalten, wobei die „Software“ zur Steuerung unseres Verhaltens in unserem Unbewussten liegt. Automatisiert, mit wenig Energieaufwand, funktionieren wir erstaunlich gut. Aber sind wir auch glücklich?

Beklagen wir uns nicht über unser monotones Umfeld, über die tödliche Routine, über zu langweilige Mitmenschen? Es hat fast den Anschein, als wären wir in unserem Alltag lebendig begraben. Wäre da nicht ein inneres Aufbegehren, das nach Neuem, nach Wichtigem, nach Abenteuern geradezu giert.

Wir flüchten uns in Tagträume oder folgen dem starken Drang und suchen unser Glück in fernen Ländern, in neuesten Trends, abenteuerlichen Freizeitaktivitäten oder in neuen Partnerschaften. Unsere Sinne sind weit offen: unsere Augen sehen, unsere Ohren sind gespitzt. Wir riechen, schmecken und fühlen so intensiv, als wäre es das erste Mal. Wir erleben endlich das, wonach wir uns so sehnen: ein Leben in Fülle. Aber wir vergessen dabei eines: Die Realität lässt uns jäh aus dem Traum erwachen und auch das aktuell Neue wird durch Wiederholung zur Routine. Denn ohne es zu merken, schaltet unser Gehirn auf „Autopilot“. Enttäuscht finden wir uns in unserer Tristesse, vor der wir geflohen sind, wieder. Sie sehen schon, dass hier eine Endlosschleife entsteht: Wir beginnen unsere Suche nach einem erfüllten Leben von Neuem.

Der Schlüssel zum Glück

Ist das unser Schicksal? Tickt unser Gehirn so, dass wir Bekanntes verlassen müssen, um unser Glück zu finden? Oder können wir da, wo sich jeder Einzelne von uns – in diesem Moment – befindet, diese Fülle erleben?

Es ist ein offenes Geheimnis: Die Anfänge der Auseinandersetzung mit dieser Thematik liegen schon tausende Jahre zurück und sind in der buddhistischen Tradition verhaftet. Auch die westliche Welt hat sich insbesondere in den letzten Jahrzehnten in zahlreichen wissenschaftlichen Studien intensiv damit beschäftigt. Die Ergebnisse sind eindeutig: Der Schlüssel zu einem erfüllten Leben liegt in uns – in unserer Aufmerksamkeit.

„Aufmerken“ – auf etwas achten ist die Fähigkeit, zu fokussieren und aus der Fülle einströmender Informationen jene auszuwählen, die für uns von Relevanz sind. Diese Informationen werden uns bewusst und werden mit oberster Priorität verarbeitet.

Sie haben wahrscheinlich schon an sich beobachtet, dass Ihre Aufmerksamkeit von Dingen angezogen wird, die neu und bedeutsam für Sie sind oder emotionale Reaktionen in Ihnen hervorrufen. Altbekanntes erhält hingegen wenig Aufmerksamkeit. Das hat zur Folge, dass Bekanntes mit Informationen aus Ihrem Gedächtnis ersetzt wird, um ein schlüssiges Gesamtbild Ihrer Wahrnehmung zu erzeugen.

Dieses Leben aus dem Gedächtnis ist genau jenes, welches unseren Alltag so leblos erscheinen lässt.

Aufmerksamkeit hingegen liefert detailreiche Informationen über die augenblickliche Situation, die je nach Fokusweite und priorisiertem Sinneskanal sehr unterschiedlich sein können. Der Eingang ins Bewusstsein sorgt für ein intensives Erleben der im Moment vorhandenen Sinnesreize und macht unser Leben vielfältig. Bewusstheit ist für unser Gehirn jedoch sehr energieaufwendig und wird – wenn nicht unbedingt erforderlich – vermieden.

Den Fokus erweitern

Sie werden sich nun vielleicht fragen, ob Sie diesen Prozessen hilflos ausgeliefert sind oder ob es eine Möglichkeit gibt, der Energieeffizienz Ihres Gehirns ein Schnippchen zu schlagen. Die erfreuliche Nachricht: Sie können Ihre Aufmerksamkeit bewusst regulieren. Mit ein wenig Übung erlernen Sie, Ihre Aufmerksamkeit gezielt auf das Hier und Jetzt zu lenken und zu halten, den Fokus zu verengen oder zu erweitern und ihre Sinneskanäle mit unterschiedlicher Intensität einzusetzen. Beginnend mit dem engen Fokus auf den Atem und – in der Folge – auf die jeweiligen Sinnesmodalitäten erweitern Sie Schritt für Schritt Ihren Aufmerksamkeitsfokus bis hin zur vollen Präsenz mit allen Sinnen. Mit dem bewussten Nicht-Werten des Wahrgenommenen und der Absicht, im Moment nichts verändern zu wollen, fördern Sie Ihre Geisteshaltung der Offenheit und der Akzeptanz. Es ist nicht die One-best-way-Haltung eines hochroutinierten Experten, sondern die neugierige Unvoreingenommenheit eines Anfängers, die eine völlig neue Welt erschaffen lässt.

Sie werden staunen: Altbekanntes erscheint in neuem Licht, die Routinearbeit entpuppt sich als vielschichtig und Ihre Mitmenschen sind weitaus spannender als gedacht. Vielleicht können Sie genauer zuhören und spüren besser als zuvor, was Ihr Gegenüber fühlt. Vielleicht schweifen Ihre Gedanken seltener ab und Sie können sich besser auf Ihre Arbeit konzentrieren. Vielleicht merken Sie, dass Ihnen Zigaretten oder üppige Torten eigentlich gar nicht schmecken und Sie leben gesünder. Und es könnte sein, dass Sie nicht mehr automatisch losschreien, wenn Sie etwas ärgert, sondern in Stresssituationen flexibler agieren und der Realität gelassener ins Auge sehen. 

www.chris-talker.at